Beim Aufnehmen von Musik gibt es ein paar Begriffe, die ein nahezu sagenumwobener Nebel umgibt: Recorderman, Decca Tree, M/S, A-B, X-Y-Mikrofnonierung und für Schlagzeugaufnahmen die Glyn Johns Methode. Meistens wird aber suggeriert, dass spezielle Aufnahme-Methoden nur – mit Betonung auf „ausschließlich“ – in einem großen, gut klingenden Studio mit Top-Mikros, Top-Drummer und Top-Drumset funktionieren. Aber stimmt das wirklich? Hier ein Selbstversuch!
Probieren geht über studieren
Ich persönlich kann Aussagen wie „geht nur genau so“, „haben wir immer so gemacht“ und „nur so ist es richtig“ nie ungeprüft stehen lassen. Spätestens nachdem ich gelesen habe, dass Ringo von den Beatles das U47 für einen fetteren Sound direkt vor die Bassdrum gestellt hat. Und das, obwohl das im erz-royalen, kitteltragenden EMI-Studio an der Abbey Road bei Todesstrafe verboten war. Hat ihn nicht interessiert und er hat es einfach gemacht. Mit dem Ergebnis, dass nicht nur nichts kaputt gegangen ist, sondern auch noch ein fetterer Sound dabei rumkam. Also „learning by burning“ wie Stefan Stoppok so schön singt und das gilt auch für die Glyn Johns Methode ein Schlagzeug aufzunehmen.
Diese ist vor allem deshalb interessant, weil sie schon mit 2 Mikros ein überzeugendes Stereo-Bild abliefert und mit nur 4 Mikros schon richtig groß klingen kann. So die Theorie. Aber was braucht es nun für die Glyn Johns Methode und was macht sie besonders?
4 Mikro für ein Halleluja
Die ursprüngliche Methode seitens Glyn Johns basiert auf 2 Mikros, die er bei Bedarf unterschiedlich gestützt, also mit weiteren Mikros ergänzt hat. Beim Stützen darf man mit Blick auf den gewünschten Sound durchaus improvisieren. Basis des Ganzen sind aber zwei Overhead-Mikros mit Nierencharakteristik. Eins davon über der Snare-Drum mit Blick auf die Snare oder leicht zwischen Snare und Basstrommel. Das Andere rechts kurz hinter und oberhalb des Stand-Toms und mit Blick über die Mitte der Snare Richtung HiiHat.
Phasenweise gleiche Entfernung
Um sich bei einer derart ungewöhnlichen Aufnahmeposition der Mikros nicht die Phasen zwischen den Signalen zu verdrehen, solltest Du bei der Aufstellung der Mikros darauf achten, dass beide den gleichen Abstand zur Mit der Snare aufweisen. Das kannst Du mit einem Maßband, einem Zollstock oder auch mit Deinen Armen ausmessen. Laut Glyn Johns muss der Abstand nicht zu 100% genau sein, er selber habe nie ein Maßband sondern immer nur sein Auge benutzt.
Freiwillige Stütze
So aufgestellt bekommt man einen sehr schönen, fast dreidimensionalen Klangeindruck des gesamten Instrumentes und kann nun nach Lust und Laune ergänzen. Denn es klingt zwar schön und schon recht groß, aber wenig direkt. Soll das so bleiben und, nur ein wenig mehr Bassdrum haben, stellt man ein weiteres Mikro vor das Schlagzeug und achtet auch dabei darauf, dass der Abstand zu den anderen beiden Mikros und der Snare-Mitte möglichst gleich ist. Ein gleichschenkeliges Dreieck sollte dabei zwischen den Mikros entstehen.
Direkter gleich anders
Wenn es doch direkter klingen soll, kommen Stützmikros im Nahmikrofonierungs-Verfahren zum Einsatz – also direkt an der Trommel. Hier bieten sich Mikros in der Bassdrum und direkt an der Snare an. Da diese prinzipbedingt nicht den gleichen Abstand zur Snare-Mitte aufweisen können, muss man im Mix später die Phase im Vergleich zu den Overheads überprüfen und im Zweifel anpassen.
In the Mix
Im Mix gestaltet sich das Zusammenfügen der einzelnen Spuren relativ unproblematisch. Zunächst aber sollte man die Glyn Johns Magie hinzufügen und die erreicht man über den Panorama-Regler. Denn das Tom-Mikro wird nun ganz nach außen geschoben – nach Links für ein Drumset aus Zuschauer-Sicht und nach ganz rehts für ein Drumset aus Schlagzeuger-Sicht.
Das Overhead wird dann zu ca. 30% auf die gegenüberliegende Seite geschoben. Experimentiere hier mit den Panoramas ruhig rum und such Dir ein Setting, bei dem das Schlagzeug schön räumlich, die Snare und Bassdrum aber nicht zu weit aus der Mitte heraus liegen. Dann beide auf einen Bus schicken, bei Bedarf noch einen LowCut bei 80 hz setzen und schon sind Deine Glyn Johns Overheads fertig.
Ausreichend gestützt
Nun kannst Du die Stütz-Mikros hinzufügen und sollte das Signal dabei eher dünner im Bassbereich werden, probier mal auf den Stützmikros aus, die Phase des Signals zu drehen. Klingt es dann wieder „fetter“, hast Du eine unterschiedliche Phasenlage der Signale gefunden und (!) behoben.
Quod erat demonstrandum
Das Ergebnis kann sich wie ich finde auch durchaus mit einer Aufnahme aus meinem kleinen Heimstudio hören lassen. Und wenn Du Dich selbst davon überzeugen möchtest, dann hör gerne in den aktuellen Podcast und schau ins aktuelle Video rein. Oder lade Dir hier als Mitglied die Original-Aufnahme herunter, lade sie in Deine DAW und schiebe selbst die Regler bis es klingt, wie es Dir gefällt! [wpdm_package id=9447 template=“link-template-default.php“]