Was man aus den Hits von Dua Lipa und Billie Eilish lernen kann

Von Jonas  |  Mix-Praxis 

Lernen aus CHarthits von Dua Lipa und Billie Eilish

Du könntest beim Lesen der Überschrift denken: „Pah, was interessiert mich der Sound dieser Pop-Sternchen? Ist überhaupt nicht meine Musik.“ Könntest Du. Aber dann würdest Du eine Chance und eine wertvolle Wissensquelle verpassen, denn auch wenn Du mehr auf Rock stehst, kannst Du unheimlich viel von aktuellen Chartproduktionen lernen.

Vom Hören und Sehen

Als Beispiel nehme ich mal die CHart-Hits „Don´t Start now“ von Dua Lipa und „Bad Guy“ von Billie Eilish zur Hand, lade diese in meine DAW und kann allein schon mit Blick auf die Wellenformen erkennen, wie zum Beispiel die Struktur der Songs ist. Laute Teile wechseln sich mit etwas leiseren ab und wenn man den Song dann hört kann man direkt mal eine Beispielstruktur für Songs erstellen.

Laut, lauter, Bassdrum

Aber an „Bad Guy“ kann man zum Beispiel auch sehen (!) warum die Bassdrum im Song so fett klingt. Die oben abgeschnittene Wellenform zeigt, dass die Bassdrum höchstwahrscheinlich voll in einen Limiter gefahren wurde, um sie möglichst laut zu machen. Heutzutage nicht mehr unüblich, aber so sieht man direkt, wie es gemacht wurde. Und manchmal braucht man ja auch nur eine kleine Legitimation, warum man diesen Trick in seiner eigenen Produktion gemacht hat – unabhängig vom Sound!

Bassdrum mit Limiter optimiert
Gut erkennbar, wie die Bassdrum mit dem Limiter maximiert wurde

Equalizer als Trüffelschwein

Mit dem Equalizer kann man dann weiter auf die Suche gehen. Um zum Beispiel zu verstehen, wie der Bass in „Bad Guy“ funktioniert habe ich mit dem EQ mal einen LoCut hergenommen und diesen Stück für Stück hochgefahren und siehe da: Ab 500 hz ist vom Bass nahezu nichts mehr übrig. Übrig blieb aber der Klick von der Bassdrum. DAs sagt mir für meine Produktionen, dass man im Bass je nach Stilrichtung nicht zwingend Informationen oberhalb von 500 hz benötigt, auch wenn diese dem Bass normalerweise helfen, sich auf kleineren Speakern wie Handys besser Gehör zu verschaffen. in diesem Fall war aber der Bassdrum-Klick wichtiger als der Bass. Wieder etwas gelernt.

Knurrige Mitten beim Bass gefunden
Warum klingt der Bass so „knurrig“? Der EQ hilft bei der Suche nach den richtigen Frequenzen

In „Don´t Start now“ hingegen habe ich mit dem selben EQ-Trick herausgefunden, dass der dort verwendete Bass gar nicht so viel Tiefbass-Anteil hat und auch nicht benötigt). Der Tiefbassbereich wird hauptsächlich von der Bassdrum beherrscht. Bei diesem Song aber ist der Bass ganz anders angelegt. Knurriger und deutlich mittiger! Und mit dem EQ habe ich den LoCut mal auf 200 hz und den HiCut auf 1.000 hz gestellt. Dort war der Haupteinsatzbereich dieses knurrigen und groovigen Basses, der definitiv ein Haupt-Element des Songs ist und deswegen auch im Mittenbereich so präsent ist, damit er eben auch auf kleinen Speakern weiterhin seine wichtige Rolle erfüllen kann – ganz im Gegensatz zum Bass in „Bad Guy“. Eine nicht uninteressante Produktions-Entscheidung, die ich beim nächsten mal auch im Hinterkopf behalten werde.

Stereo getrennt vom Mono

Ein weiteres Hilfsmittel ist das Garn-PlugIn in Logic Pro X. Mit diesem ist es mir möglich, in einem Stereo-File wie unseren Songs auf einer Seite die Phase zu drehen und das ganze dann insgesamt auf Mono zu stellen. Durch diesen Trick bleibt vom Song nur noch der stereo-Anteil übrig. „Warum soll man das machen?“ fragst Du? Weil man so hören kann, was im Stereofeld der Produktion stattfindet und normalerweise von den lauten Mono-Anteilen des Songs überdeckt wird.

Das Gain-PlugIn eliminiert alle Mono-Anteile
Das Gain-PlugIn blendet alle Mono-Anteile aus

Räumliche Bassdrum in „Bad Guy“

Auf diesem Wege hört man zum Beispiel den Raum, der der Bassdrum hinzugemischt ist. Erkenntnis hieraus: Eine Bassdrum acht man nicht nur groß, indem man sie mit einem Limiter möglichst laut macht, sondern auch indem man ihr noch einen subtilen Stereo-Raum gibt, der sie größer erscheinen lässt. Und mit einem Blick auf den EQ als Analyzer erkennt man dann noch, das dieser Raum nicht im Tiefbass-Bereich aktiv ist, sondern eher ab 100 hz anfängt. Sehr interessant.

Stereo-Anteile in „Don´t Start now“

Das gleiche PlugIn beim Song von Dua Lipa angewandt fördert noch andere Erkenntnisse zu tage. Zum Beispiel dass in der Strophe nahezu keine Stereo-Anteile im Mix übrig bleiben. Einzig eine leicht mit Saturation zerstörte Clap/Snare und vor allem der Gesangs-Hall bleiben übrig. Bedeutet für mich, dass die Strophe sehr Mono-Lästig ist und der luftige  Soundeindruck einzig durch die Stereo-Clip/Snare und den unauffälligen Gesangs-Hall erzeugt wird. Zweite Erkenntnis, dass man diese eher mono gehaltenen Strophenteil dann natürlich im nächsten Songabschnitt mit einem sehr breiten Stereo-Piano maximal steigern kann. Und das passiert dann auch – Bingo.

Was am Ende übrig bleibt

ich könnte wahrscheinlich noch 14 Tage weiterschreiben. Aber Du siehst schon an diesen wenigen Beispielen, dass man mit gezielter Suche und vor allem Interesse an solchen Produktionen sehr viele Dinge herausfinden kann, die  so erfolgreiche und große Produktionen ausmachen. Dass Du nicht alle bei Deinem nächsten Song anwendest ist natürlich klar. Dennoch erweitert jede gefundene Spezialität in modernen Produktionen Dein Wissen und Deine Kreativität, sodass Du demnächst mehr und mehr schöne Kleinigkeiten parat hast, die Diene Produktionen von anderen deutlich abheben können. Und das Ganze nur mit ein paar kostenlosen Hilfsmitteln, Interesse und ein wenig Zeitaufwand. Mein Tipp: Leg Dir ein Buch an und notiere Dir jede gefundene Spezialität. So wächst über die Zeit ein Buch mit Produktionstipps und Spezialitäten, die Du Dir als Inspiration bei chronischer Ideenlosigkeit durchschauen kannst. So wird auch die schlimmste Schreib- und Produktions-Blockade schnell zum Schnee von gestern!

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