Atmen soll ja nach landläufiger Meinung wichtig sein und gerade beim Singen benötigt der geneigte Barde ein erhöhtes Luftvolumen, um dem Mikrofon mit genügend Verve die beabsichtigten Zeilen entgegen schmettern zu können. Aber wo Luft rauskommt, muss vorher Luft rein und je knapper die Atempausen im Song bemessen sind, um so schneller muss die Luft eingesogen werden, was wiederum in den meisten Fällen mit einem erhöhten Geräuschpegel beim Einatmen verbunden ist.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne
Das ist auch grundsätzlich kein Problem, kann aber zu einem werden, wenn im Zuge der Nachbearbeitung der Vocals ein oder mehrere Kompressoren zum Einsatz kommen. Diese haben nämlich nicht nur die positive Eigenschaft, das Signal gleichmäßiger auszusteuern, damit man es insgesamt lauter im Mix verankern kann. Nein, die Anhebung des Gesamtpegels (nach Absenkung der Spitzen durch den Kompressor) bewirkt auf der negativen Seite auch, dass vermeintlich leise Geräusche unverhältnismäßig laut wiedergegeben werden. Und hier schließt sich nun der Kreis zu den oben genannten Atemgeräuschen.
Fix it in the Mix
Denn diese werden tatsächlich lauter wiedergegeben. Dies kann durchaus ein gewollter Effekt sein, denn wenn jemand mit viel Hingabe eine Ballade schmettert, dann soll er (oder sie) auch sehnsüchtig und hörbar einatmen dürfen. Reden wir allerdings über eine schnellere Nummer mit viel Text, wie zum Beispiel im Rap, dann kann zu häufiges und zu lautes Einatmen dem Zuhörer unterbewusst vermitteln, dass der Sänger oder Rapper mit seinem Text nicht hinterherkommt und hektisch und damit lauter Luft holt. Diesen Effekt gilt es zu vermeiden und das können wir in der schönen bunten DAW-Welt natürlich ganz einfach – wenn auch mit ein wenig Handarbeit verbunden.
Einsatz, der sich lohnt
Ja tatsächlich, ich rede nicht von automatischem PlugIn-Luxus, sondern von aufwändiger Handarbeit, da ich gerade beim Lead-Gesang/-Rap kein großer Freund von Gate-PlugIns bin, die diesen Job automatisch (aber nicht immer gut) übernehmen könnten. Ich gehe lieber auf Nummer sicher und entscheide selbst, welche Atmer wann und wie laut zu hören sein sollen. Zeitintensiv? Ja, auf jeden Fall, aber auch mit einer Garantie für ein gutes und professionell klingendes Ergebnis! Dabei ist das Vorgehen schnell erklärt. Ich schaue bzw. höre mir die Vocal-Spur in einem ersten Durchgang von vorne bis hinten solo an und bei jedem Atmer schneide ich vorher und hinter, um den Atmer freizustellen. Nun kann ich diesen per Clipgain gezielt um 3 – 9 db leiser machen. Das entscheide ich im ersten Bearbeitungsrutsch nach Gefühl und höre hinterher zusammen mit dem Playback, ob ich an der ein oder anderen Stelle noch nachjustieren muss.
Geht auch (halb-)automatisch
Man kann auch ohne Clipgain und dafür mit der Volume-Automation arbeiten. Man automatisiert also bei jedem Atmer den Volume-Fader und kommt so auch zum ähnlichen Ergebnis.
Natürlich kann man die Atmer auch ganz rausschneiden, allerdings bin ich auch davon selten ein Freund. Denn da unsere Gehör-/Gehirn-Kombination ja an bestimmten Stellen unterbewußt erwartet, dass der Sänger auch mal atmen muss, klingen die Ergebnisse mit leiseren Atmern in meinen Ohren immer natürlicher und organischer als das komplette Entfernen der Atemgeräusche aus den Vocals.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Bei Chorgesang bin ich allerdings rigoros und nehme fast immer alle Atmer raus, denn wenn 20 Stimmen gleichzeitig einatmen klingt das einfach nicht mehr gut. Daher lautet meine Maxime: In Chören alle Atmer wegschneiden, in Hauptstimmen leiser regeln, aber auf jeden Fall drinlassen.