OK, der Vergleich war vielleicht nicht ganz fair, als ich das sauteure Neumann U-87 mit dem sehr gut bezahlbaren NT1-A von Røde verglichen habe – zwei Großmembraner, die sich zwar äußerlich ähneln, bei der Aufnahme dann aber schnell ihre Stärken und Schwächen gezeigt haben (hier gehts zum Video). Und das NT1-A klang nun mal muffig im Vergleich zum Neumann!
Aber man muss ja kein Schwerverdiener sein, um den vermeintlichen Makel des NT1-A zu beheben, ganz im Gegenteil: ein kleiner Perspektivwechsel und ein EQ-Plugin, welches bei jeder DAW dabei ist, können hier Wunder wirken!
Umgekehrt wird ein Schuh draus
Man muss sich nur einfach mal von der Vorstellung trennen, dass das Røde muffig klingt, weil es zu wenig Höhen hat! Ganz im Gegenteil, es hat genug Höhen! Die werden aber leider verdeckt vom „Muff“ und hier schlägt die Stunde des subtraktiven Equalizers! Denn Subtrahieren bedeutet abziehen und wenn man die Frequenzen, die für den „Muff“ verantwortlich sind, identifiziert und abzieht – also absenkt – kommen die längst vorhandenen Höhen besser zur Geltung und lassen auch das NT1-A strahlen, wie die Siegesgöttin Nike in der griechischen Mythologie.
Wer suchet, der findet
Mit der Sweep-Methode (Näheres hierzu in Video 3 meiner Reihe EQ-Basics) findet mal sehr schnell genau den Bereich, der muffig klingt und kann diesen dann sanft absenken. Und voilà , einmal entfernt bleibt mehr Platz für das Schöne im Signal.
Subtraktiv vor Additiv
Der subtraktiven EQ-Methode ist im Allgemeinen (und vor allem meiner Meinung nach) der Vorzug vor der additiven – also der hinzufügenden – Methode beim EQ-ing zu geben, da man beim Anheben von Frequenzen zum einen das Signal Prinzip-bedingt mehr verfälscht, als beim Absenken, und es zum anderen lauter macht, da man ja Frequenzanteile hinzufügt. Und wenn man in jedem Kanal etwas anhebt und damit lauter macht, hebt man nicht nur bestimmte Frequenzbänder übermäßig an, sondern erhöht insgesamt die Lautstärke des Songs, was schnell zum Clipping im Masterkanal führen kann! Ich bemühe in diesem Zusammenhang immer gerne die Vorstellung eines Bildhauers, der bei seinem Steinklotz auch nur alles weghaut, also subtrahiert, was nicht nach Aphrodite aussieht. Mir ist (noch) kein Bildhauer bekannt, der die umgekehrte Methode angewandt hat.
Breit anheben, schmal absenken
Wenn  immer noch ein wenig Glanz auf dem Signal fehlt, kann man natürlich trotzdem leicht die Höhen anheben, sollte dabei aber die Regel beachten, dass man beim Anheben möglichst breitbandig arbeitet. Beim Absenken ist das nicht so restriktiv, denn hier kann man mit schmalbandigen Reparatur-EQs Problem-Frequenzen (z.B. ringende Resonanzen in der Snare) herausfiltern, man kann aber auch breitbandige Signal-Polituren vornehmen. Beim Anheben ist das Ohr jedoch sehr feinfühlig und bewertet zu spitze Anhebungen als unnatürlich und unecht.
Üben, üben, üben
Aber wie immer gilt: Probieren über studieren – also hören, statt lesen! Nehmt etwas auf, legt einen EQ drauf und dreht nach Herzenslust Frequenzen rein und wenn sie Euch stören, regelt sie runter, um zu hören, was dann passiert. Denn gerade für den EQ sollte man nicht nur wahllos Frequenzen absenken, weil man das mal gelesen hat! Jedes Signal ist unterschiedlich und benötigt dementsprechend auch eine leicht unterschiedliche Bearbeitung und die kann man nur durch Ausprobieren herausfinden. Sicherlich hat man nach gewisser Zeit seine immer gleichen Startpunkte, aber wo man tatsächlich am Ende absenkt, ist für jedes Signal individuell!
Wie immer gibt’s alles noch mal zum Ansehen in meinem YouTube-Kanal und ich wünsche Euch viel Spaß und Erfolg beim Nachmachen!