Warum klingen meine Gesangsaufnahmen nicht so fett und groß wie bei den Hits im Radio? Diese Frage hat sich wohl jeder schon mal gestellt und tatsächlich stehen wir alle vor dem selben Problem: Die Aufnahme – egal ob RAP oder Gesang – ist im Kasten und steht nun gut abgemischt, aber einsam und mono in der mitte vom Stereo-Feld. Sie wirkt klein und einsam, anstatt breit und größer als das Leben zu klingen.
Ergänze was fehlt
Grundsätzlich steht jede Produktion und jeder Mix vor dem selben Problem: Die Stimme ist nunmal ein einzelnes Instrument, das man zwar im Stereo-Panorama frei positionieren kann, sie bleibt aber ein einzelnes Mono-Instrument. Wenn man also möchte, dass die Stimme größer als ihr ursprüngliches Erscheinungsbild rüberkommt, muss man einfach nur das hinzufügen, was der Stimme aktuell noch fehlt. Und dazu nutze ich sehr oft die folgenden drei Tricks!
Die beste Lösung für breitere Vocals
Im idealen Fall hat man nicht nur eine Gesangsspur, sondern mindestens 3 mit der selben Performance vorliegen. Dies hat den Vorteil, dass man eine Hauptstimme hat und zwei, die man nun im Panorama jeweils hart nach links und rechts schieben kann. Dann die 2 Stimmen leicht an die Hörgrenze dazuschreiben und die leichten Unterschiede in den drei Stimmen sorgen für ein angenehm großes und breites Erscheinungsbild.
Erster Tip: Einfache Stereo-Verbreiterung
Die Realität ist aber sehr oft, dass man nur eine einzelne Gesangsspur ohne zusätzliche Dopplungen vorliegen hat. Hier gilt es also aus dem vorhandenen Material eine leicht anders klingende Variante zu machen, die die Funktion der echten Dopplungen übernimmt, um wirklich fette Vocals größer als die Wirklichkeit zu bekommen. Am einfachsten geht das, indem man die Hauptstimme noch mal auf eine weitere Spur kopiert und diese dort mit dem PlugIn „Wider“ der Firma Polyverse / Infected Mushroom künstlich verbreitert.
Diese Stimme nun wie oben beschrieben subtil hinzugemischt sorgt sofort für eine deutlich größere und Breitere Wirkung der Hauptstimme. Sie wird allerdings dadurch auch ein wenig lauter. Deshalb im Zweifel die Hauptstimme ein klein wenig am Fader zurücknehmen, damit sie nicht durch die Dopplung zu sehr vor dem Mix steht!
Zweiter Tip: Erweiterte Stereo-Verbreiterung mit Delay und Pitch
Die Deluxe-Version des ersten Tipps ist da schon deutlich aufwendiger, klingt aber auch entsprechend spektakulärer. Dazu legt man nicht nur eine, sondern gleich 6 – 8 Spuren an, auf die man die Hauptvocals kopiert. So hat man jetzt 6 – 8 exakte Kopien vorliegen, die die Vocals zusammen abgespielt erst mal nur lauter machen würden – es sind ja Kopien. Um den „larger than Life“-Effekt hinzubekommen muss man diese Spuren nun verfremden und damit akustisch von der Hauptstimme trennen. Das gelingt am einfachsten (und gratis ohne weitere PlugIns) mit Spur-Panorama, Spur-Delay und Pitch – also Verstimmung.
- Zunächst schiebst Du die neuen Spuren abwechselnd im Panorama nach links und recht außen, hast also anschließend drei Spuren links und dir Spuren rechts liegen.
- Im nächsten Schritt werden die einzelnen Spuren im Verhältnis zur Hauptstimme ganz leicht verzögert bzw. nach vorne gezogen (negative Verzögerung). Das geht bei den meisten DAWs am einfachsten im Spurinspektor, bei dem Du nun für jede Spur einen anderen Wert zwischen -25 ms und +25 ms A8außer Null) wählst. Damit bekommt man eine Art überdimensionalen Haas-Effekt (hier erfährst Du, was es damit auf sich hat), der die neuen Spuren schon mal leicht vom Hauptvocal absetzt und trennt.
- Zusätzlich zur zeitlichen Komponente werden die Spuren nun auch noch gegeneinander verstimmt. Auch hierzu bietet sich der Spur-Inspektor oder bei einigen DAWs auch direkt der Event-Inspektor (z.B. bei Studio One) an. Die Links liegenden Spuren verstimmst Du jeweils um absteigend in -3 Cent-Schritten, also bei 3 Spuren Links z.B. -6 Cent, -9 Cent und -12 Cent. Auf der Rechten Seite entsprechend mit den positiven Werten der vorgenannten Verstimmungen. Damit klingen sie leicht anders ohne direkt schief zu klingen, denn 100 Cent entsprechen einem Halbton. Die eingestellten Werte sind also nur zur leichten akustischen Trennung vorgesehen.
Damit sind alle Schritte für Trick 2 abgeschlossen und man zieht nun die so präparierten Spuren wieder leicht bis an die Hörgrenze in den Mix. Wenn Du dazu nicht 6-8 Fader verschieben möchtest, route diese Spuren einfach auf einen Bus, bei dem Du nun ganz einfach für alle 6 Spuren nur noch den Bus-Fader brauchst. (Was ein Bus ist und wie Du mit ihm arbeiten kannst erfährst Du hier) Passend an der Hörgrenze werden die Vocals deutlich breiter und fetter!
Dritter Tipp: Stimme untenrum andicken
In diesem Trick geht es gar nicht so sehr darum die Stimme breiter, sondern fetter zu machen. Das passiert als Unterstützung der Hauptstimme und damit Mono in der Mitte. Basis ist (mal wieder) eine neue Spur mit der Kopie der Hauptstimme. Dieses mal stimmen wir die ganze Spur um genau 12 Halbtöne, also eine Oktave nach unten. Dazu kann man entweder ein Pitch-PlugIn, oder wieder den Spur-Inspektor nutzen, der neben der Feinjustierung im Cent-Bereich meist auch eine Einstellung für´s Grobe, also Halbtonschrite oder sogar ganze Oktaven anbietet. Damit stimmen wir die Spur oder das Event um 12 Halbtöne, also eine Oktave nach unten.
Nun klingt es etwas merkwürdig tief, was man aber leicht, wenn auch nicht fehlerfrei beheben kann. Denn die Formanten, die zum großen Teil an unserer Stimmfarbe beteiligt sind, sind normalerweise unabhängig von der Tonhöhe des Gesungenen immer gleich. Beim runterstimmen werden sie aber auch mit abgesenkt, müssen also in unserem Fall wieder nach oben angehoben werden. Das geht mit jedem PlugIn, das auch einen Formant-Shift anbietet, zum Beispiel eingebaute DAW-PlugIns wie der Vocal Transformer in Logic Pro X. Aber auch Autotune-PlugIns wie MAutoPitch von MeldaProduction, der Crispy Tuner oder auch Melodyne bieten das an. Wenn man die Formanten wieder anhebt, bis es nur noch nahc einer leicht schrottigen, aber tiefen Stimme klingt, ist man an der richtigen Stelle. DAs nun als Textur charmant und wieder nur bis zur Hörgrenze dazumischen und schon sind wir bei Trick 3 am Ziel. Viel Spaß beim Ausprobieren!