Uns allen klingelt noch der übermächtige Begriff des Loudness-Wars in den Ohren. Dir nicht? Gemeint ist eine Zeit vor ungefähr 5 Jahren, als mit modernen Limitern die Dynamik von Songs immer weiter reduziert wurde. Dies geschah ausschließlich, um die mittlere Lautheit eines Songs so weit nach oben zu treiben, dass er noch lauter als die Konkurrenz im Radio war. Frei nach dem Motto: Lauter = Besser!
Lauter bedeutet nicht besser
Aber weit gefehlt, denn spätestens nach dem oft und zu Recht gescholtenen Metallica-Album „Death Magnetic“ von 2016 war auch dem unbedarftesten Zuhörer klar, dass „klingt lauter“ nicht unbedingt „klingt besser“ bedeutet. Aber auch andere haben schon früher festgestellt, dass man dem Lautheitswahn ein Ende setzen muss. Denn den falschen Ansatz „lauter = besser“ gab es auch in der Werbung, nur hieß er hier „lauter = mehr Aufmerksamkeit“. Und das ging tatsächlich auf, sorgte allerdings dafür, dass man in TV-Werbepausen möglichst schnell zur Fernbedienung greifen musste, bevor die vom Film verwöhnten Ohren mit einem lauten Werbebombardement zerschossen wurden. Ganz zu schweigen von sich beschwerenden Nachbarn, aufgeweckten Kindern oder andere Kollateralschäden!
Europa lohnt sich
Die „European Broadcast Union“ („Europäische Rundfunk-Vereinigung“, kurz EBU) hatte die Nase voll und legte mit der Recommendation 128 (Empfehlung 128, kurz R 128) einen Vorschlag für alle europäischen Rundfunk-Unternehmen vor, der mittlerweile zum quasi Standard geworden ist. Und diese besagt, dass die mittlere Lautheit eines Beitrages, egal ob 30 Sekunden Werbung, 3 Minuten Musikvideo oder 3 Stunden Kinofilm den Wert von -23,6 LUFS nicht übersteigen darf, sonst wird er entsprechend leiser gemacht! Die Lautheit wird über die gesamte Länge des Beitrages gemittelt, was speziell bei Werbung den Effekt hatte, dass nun nicht mehr der Laut/Leise-Knopf an der Fernbedienung ausgeleiert wurde – die Werbung war endlich gefühlt gleich laut wie das Programm, mit dem die Lücken zwischen den einzelnen Werbeblöcken gefüllt werden mussten!
Was sind Loudness Units Full Scale (LUFS)?
Jetzt wirst Du Dich fragen, was LUFS sind/ist und warum nicht in dB gemessen wird? Im Prinzip wird in dB gemessen, denn eine Loudness Unit (LU) entspricht einem dB. Der Unterschied vom LUFS (Loudness Units Full Scale) zum bisher üblichen RMS-Verfahren besteht nur darin, dass bei der Lautheit nach RMS die Gewichtung des gesamten Frequenzbereichs etwas anders ist als bei LUFS.
Die Wichtung folgt in beiden Fällen dem Hörverhalten unserer Ohren, das bestimmte Frequenzen lauter wahrnimmt als andere, nur eben bei LUFS etwas anders als bei RMS. Bässe können zum Beispiel sehr energiereich sein, werden aber noch lange nicht als laut wahrgenommen. Wohingegen ein Ton um 3,5 kHz zwar weniger Energie haben, aber durchaus schon als sehr laut wahrgenommen werden kann. Kurz gesagt, eine Messung der mittleren Lautheit nach dem LUFS-Verfahren gibt einen noch mal präziseren Richtwert der tatsächlich von uns wahrgenommenen Lautheit ab, als es nach dem RMS-Verfahren sein soll.
Dabei bleibt RMS in der Praxis trotzdem durchaus geläufig und ist ähnlich der Bezeichnung PS statt KW bei Motorenleistungen auch heute immer noch geläufig und weit verbreitet.
Unterschiedliche Messmethoden
Wichtig zu wissen ist noch, dass nicht die einzelnen, schnellen Peaks (zum Beispiel die Transienten einer Snare) die Lautheit beeinflussen, sondern vor allem alle Instrumente, die eher gleichmäßig zum Sound beitragen. Im Bild einer WAV-Datei wäre das die dicke Wurst in der Mitte, nicht aber die einzelnen Peaks, die daraus hervorstechen!
Mittlere Lautheit impliziert ja, dass die Lautheit in einem gewissen Zeitraum bewertet wird und auch beim LUFS-Verfahren werden verschiedene Zeiträume herangezogen, die übrigens auch in den Pegel-Messern der DAWs (Metering-PlugIns) angezeigt werden, wenn es nach LUFS misst. Man unterscheidet hier zwischen
LUFS m = momentane Lautheit gemessen in den letzten 0,4 Sekunden
LUFS s = „short term“ (Kurzzeit)- Lautheit gemessen in den letzten 3 Sekunden
LUFS i = „integrated“ (insgesamte) Lautheit gemessen über den kompletten Titel
Auch wenn LUFS m und LUFS s einen ungefähren Anhaltspunkt über die Lautheit des Titels geben können, zählt doch vor allem die insgesamt gemessene Lautheit, also der Wert LUFS i !!!
Streamingportale gegen Lautheitswahn
Ähnlich wie die EBU haben auch die verschiedenen Streaming-Portale eigene Richtwerte für die mittlere Lautheit des bei ihnen ausgestrahlten Programmes festgelegt. Bei YouTube und Spotify zum Beispiel sind das – 14 LUFSi, bei iTunes sogar -16 LUFSi. Die mittlere Lautheit des gesamten Songs soll also in dem Fall – 14 Loudness Units (LU, Lautstärke Einheiten) nicht überschreiten, ansonsten wird der Titel automatisch von Portal leiser abgespielt, damit er eben nicht lauter als -14 LUFSi ist.
Blöderweise werden leisere Titel aber nicht auf -14 LUFSi angehoben, was für Dich bedeutet, dass Dein Titel nicht leiser als -14 LUFSi sein sollte. Zumindest, wenn Du sicherstellen möchtest, dass er im digitalen Veröffentlichungs-Gewitter nicht komplett untergeht.
So erreichst Du die passende Lautheit in der DAW
Und hier kommt endlich der Punkt, in dem wir zur praktischen Anwendung schreiten können. Man nehme also einen handelsüblichen Limiter als vorletztes PlugIn in der Masterkette und als letztes PlugIn ein Metering (Mess)-Plugin, dass nach LUFS misst. Einige DAWs haben das eingebaut, anderen empfehle ich gerne den Youlean Loudness Meter, der sowohl für Windows als auch MAC OSX kostenlos unter folgendem Link zu finden ist und wirklich einen tollen Job macht: Youlean Loudness Meter
Einfach messen und beobachten
Beim Limiter stellst Du zunächst einmal als lautesten Peak (manchmal auch Output oder Ceiling genannt) einen Wert zwischen -0,5 und -1,5 dB ein. Hiermit soll erst mal nur sichergestellt werden, dass kein Peak die „magische“ digitale Grenze von 0 dB „überschreitet“ und damit möglicherweise zu unerwünschten, hörbaren Verzerrungen bei der Wiedergabe führt.
„Ãœberschreiten“ ist hier in Anführungszeichen, da dieser Wert nicht wirklich überschritten werden kann, sondern die Peaks einfach bei 0 dB abgeschnitten werden, was eben zu unerwünschten Verzerrungen führen kann und in der Messung zu finden ist bei den sogenannten True Peaks oder auch Intersample Peaks (ISP).
Nun lässt Du den Song einmal komplett durchlaufen und misst mit dem Youlean Meter die LUFSi, also die gemittelte Lautheit von vorne bis hinten.
Möchtest Du Deinen Song z.B. bei YouTube veröffentlichen und sicherstellen, dass YouTube Deinen Song beim Abspielen nicht herunterregelt, mach Folgendes: Lass den Song einmal durchlaufen und miss mit dem Youlean die LUFSi. Kommt bei der Messung ein Wert unterhalb -14 LUFS heraus, dann bist Du definitiv zu leise. Dreh in dem Fall bei Deinem Limiter am Input die Differenz von Deinem gemessenen Wert zu -14 LUFSi entsprechend höher.
Hast Du beispielsweise -20 LUFSi über den ganzen Song gemessen, dann stell beim Limiter die Eingangsverstärkung (Input) um 6 dB höher ein. So sollte Dein Song beim nächsten Messen schon recht nah an – 14 LUFSi heran springen. Dies kannst Du wiederholen, bis Du bei den gewünschten -14 LUFSi herauskommst, Du musst hier aber auch nicht päpstlicher als der Papst sein – auf 0,1 dB mehr oder weniger kommt es hier nicht an.
Ist es schlimm, wenn ich lauter als -14LUFSi bin?
Tja, diese Frage lässt sich Anno 2024 wohl am besten mit einer Gegenfrage beantworten. Diese lautet: Wie machen es denn die Profis? Also wie halten es die Profis mit -14 LUFSi und dem Herunterregeln durch YouTube?
Die Antwort und damit auch meine Handlungsempfehlung ist nach dem Studium dieses doch etwas längeren Artikels inklusive Vorgehensweise zur Erreichung der -14 LUFSi mehr als ernüchternd:
Die Profis ignorieren die -14 LUFSi heutzutage und damit auch die Tatsache, dass YouTube (oder andere Streaming-Portale) den Song leiser abspielt komplett.
Mit anderen Worten, beim Mastering des Songs wird dieser so laut gemacht, wie es eben geht. Also bis zu der Grenze, an der der Klang leiden würde und das sind dann gerne auch mal -8 oder sogar -6 LUFSi. Das bedeutet zwar, dass Youtube einen Song mit -8 LUFSi um 6 dB leiser abspielt als das Original, da das aber wie bei einem ganz normalen Lautstärkeregler ohne Klangverlust erfolgt, machen sich die Profis gar nicht erst die Mühe unterschiedlich laute Versionen für verschiedene Streamingportale zu erstellen, sondern nehme das leisere Abspielen einfach als gegeben. Und das solltest Du ehrlich gesagt auch tun.
Fazit
Auch wenn das dicke Ende dieses Artikels tatsächlich eher ernüchternd ist, finde ich es aber auch sehr befreiend. Denn mit Blick auf die Profis nimmt es uns doch die Bürde, penibelst und in vorauseilendem Gehorsam den Streamingportalen mit nicht mehr als -14 LUFSi gefallen zu wollen. Der Blick geht wieder auf den Sound und die Dichtheit im Song und wenn diese bei -8 LUFSi noch gegeben sind, dann bitteschön, mach Deinen Song lauter, bis er schlechter klingt und dann wieder ein bisschen zurück.
Dennoch hoffe ich, dass Du hiermit genug Basisverständnis für die Lautheits-Thematik und ein passendes Praxisbeispiel zur Hand hast, um Deine Songs demnächst auch direkt auf die gewünschte Lautheit für Deine nächste Veröffentlichung zu bringen.