Kompressor erklärt Teil 3 : Multitalent oder One-Trick-Pony?

Man kann die Frage auch umformulieren: Brauche ich Kompressoren von Drittanbietern? Und wenn ja, welchen? Betrachten wir es mal vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus:

Jede DAW bringt ein eigenes Kompressor-PlugIn mit. Ob Logic Pro X, Studio One 2/3, Cubase, Pro Tools und wie sie alle heißen. Und jedes PlugIn macht das, was es soll: Es komprimiert bei richtiger Anwendung zuverlässig jedes Audiosignal und bietet hierzu auch alle relevanten Parameter, also mindestens Threshold, Ratio, Attack, Release und (MakeUp-)Gain. Es gibt also erst mal keinen  Grund, in die PlugIn-Trickkiste der Drittanbieter zu greifen und Geld auszugeben nur um gut zu komprimieren.

Alles so schön bunt hier

Warum suggerieren uns die Drittanbieter also ständig, dass wir ohne deren einmaliges und unerreichtes PlugIn nicht richtig komprimieren können? Natürlich zunächst einmal, weil es ihr Job ist und sie damit ihr Geld verdienen. Aber anscheinend können diese Kompressoren ja doch irgendetwas, was die Standards nicht können.

OK, sie sehen meistens toll aus. Mal bunt, mal wie ein altehrwürdiges Hardware-Vorbild, mal viele Knöpfe, mal nur einer, mal idiotensicher, mal das „the-one-and-only“-Tool des Grammy-sammelnden Mixing-Gurus. All das und noch viel mehr. Aber letztendlich stillen Sie doch nur die Sehnsucht in uns, den Sound des letzten Charthits mit nur einem Klick hinzukriegen. Und soviel darf ich schon verraten: Diese PlugIns können wirklich etwas, aber DAS ist es nicht!

10.000 Stunden …

Denn auch der beste Mixer der Welt nutzt einen speziellen Kompressor nicht der Einfachheit halber oder weil er toll aussieht, sondern weil er den Sound und die spezielle Arbeitsweise dieses einen Kompressors nur (oder zumindest relativ einfach) mit PlugIn A hinbekommt, und eben nicht mit PlugIn B. Und warum weiß der Guru das? Weil er das schon sehr, sehr oft so gemacht hat. Er kennt das PlugIn und wählt es daher gezielt aus – genau wie der Gitarrist, der einen Marshall-Amp wählt, wenn er AC/DC spielen will und einen Fender Twin, wenn er einen tollen Cleansound mit dem schönsten Federhall ever haben will. Sicher sind diese Beispiele im unterschiedlichen Sound erheblich eindeutiger auszumachen, als beim Thema Kompression, denn der Soundeinfluss diverser Spezialplugins ist mitunter mit mehr als subtil zu bewerten. Aber auch viel kleine Steine sind die Grundlage eines ganzen Hauses und nicht nur ein dicker!

Volle Hütte

Trotzdem darf die Frage erlaubt sein, welchen Kompressor man wofür nutzt und zu diese Zweck kann man sich zum Vergleich mit dem vorhandenen PlugIn zumeist eine Probeversion bei den einschlägigen Anbietern runterladen und ausgiebig testen. Und dieses Angebot sollte man  auch ausgiebig nutzen. „Sollte“, denn auch ich falle immer wieder auf die schönen Werbeversprechen und Soundbeispiele herein – man gönnt sich ja sonst nichts. Aber oft setze ich das Plugin ein oder zweimal ein, freue mich, und bei der nächsten Produktion habe ich es wieder vergessen und greife behände zu meinen Standards. Und die kann ich in der Tat an einer Hand abzählen:

  1. Standard-Kompressor aus der DAW
  2. Universal Audio 1176 für Trommeln und Gesang und eigentlich fast alles
  3. LA2 oder LA3 für Bass
  4. SSL BUS-Kompressor auf ausgewählten Bussen
  5. Fairchild 670 im Masterbus

Warum?

Das soll keine Einkaufsliste sein, sondern das sind die PlugIns, mit denen ich die meiste Erfahrung habe und die ich am besten einschätzen kann, auch wenn ich bei jeder Produktion wieder etwas neues über die oben genannten dazulerne. Ich hab die 10.000 Stunden halt noch lange nicht voll …

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