Manchmal stolpert man über Begriffe, die in der Audio-Szene eine Art Kultstatus zu genießen scheinen. Dazu zählen der Abbey Road Trick, die New York Compression und sicher auch der Haas-Effekt. In 19-Zoll-Gesprächen kann man auch wunderbar mit solchen Begriffen angeben, aber es steckt natürlich auch etwas dahinter. Und worum es beim Haas-Effekt genau geht und wie man damit ein Signal von Mono nach Stereo verbreitern kann, das soll unser Thema sein.
Der Haas-Effekt
Der von Helmuth Haas in seiner 1951er-Dissertation erwähnte und nach ihm benannte Haas-Effekt beschreibt kurz gesagt den erzielten Klangeindruck, wenn zwei gleiche Signale zu unterschiedlichen Zeiten das linke bzw. rechte Ohr erreichen. Und hier speziell eine Differenz von 2 bis 35 ms. Alles unter 2 ms Unterschied kommt für unsere Ohren zeitgleich an und ist damit ein Signal. Alles über 35 m wird (auch bei gleichem Sound) nicht mehr als ein Signal, sondern als zwei getrennte wahrgenommen – zum Beispiel als Echo.
Falls Du es noch ausführlicher wissen willst, schau doch mal unter diesem Link in der Wikipedia (Hier zum Wikipedia-Artikel). Dort wird alles sauber und physikalisch richtig erklärt und das alles abzutippen würde hier deutlich zu weit führen. Die Theorie dahinter ist mir aber ehrlich gesagt auch nahezu egal, solange ich in der praktischen Anwendung damit einen schönen Effekt erzielen kann. Und das kann man hiermit definitiv!
Nicht Mono-kompatibel?
Häh? Warum jetzt Mono? Wir leben in den 2010ern, da hört man doch nicht mono, sondern seit über 50 Jahren stereo, oder nicht? Dazu von mir ein klares JEIN! Musik wird zwar ausschließlich in Stereo produziert, aber immer noch in vielen Abspielsituationen mono wiedergegeben! Nicht nur im Supermarkt oder im Küchenradio, auch im großen Club oder bei großen Live-Events wird Musik sehr oft Mono gehört.,Ganz einfach um zu vermeiden, dass man an unterschiedlichen Punkten nur eine Seite und damit nur einen Teil des Songs hört.
Da Prinzip-bedingt bei der Anwendung des Haas-Effektes mithilfe eines Delays (mehr dazu gleich unten) auch eine gewisse Phasenauslöschung im Mono-Signal passieren kann, ist dieser Trick nicht komplett Mono-kompatibel. Falls Du aber zu den Leuten gehörst – und davon gibt es auch und gerade bei den Profis viele – denen der Klang ihres Songs in Mono komplett Wumpe ist, dann kannst Du jetzt gepflegt weiterlesen. Und wenn nicht … dann auch, denn ich zeige Dir auch, wie Du den Haas-Effekt weitgehend mono-kompatibel anwenden kannst! Und falls Du wissen möchtest, welche Vorteile man beim Abmischen in Mono hat, dass folge einfach diesem Link und lies dort  weiter: Mix in Mono ist Quatsch! Wirklich?
Die praktische Anwendung
In der praktischen Anwendung will man nun den Klangeindruck erzielen, der entsteht, wenn zwei gleiche Signale zu unterschiedlichen Zeiten die Ohren erreichen. Denn streng genommen ist ein Mono-Signal in unserer Stereo-Welt ja kein einzelnes Signal, sondern lediglich auf dem linken und dem rechten Kanal exakt das gleiche Signal. Wenn man also eins der beiden gleichen Signale um 2 bis 35 ms verzögert, entsteht sofort der Klangeindruck, dass das Signal nicht mehr aus der Mitte kommt, sondern getreu dem Haas-Effekt aus der Richtung, aus der das Signal zuerst auf unsere Ohren trifft.
Zu diesem Zweck laden wir in den Kanal unseres Mono-Signals ein Stereo-Delay, bei dem man die Delayzeiten für jede Seite unabhängig regeln kann. Zunächst sollte man (falls vorhanden) den Tempo-Sync-Knopf deaktivieren, damit die Delay-Zeiten nicht mehr ans Song-Tempo gekoppelt sind. Als Nächstes wird das Feedback auf null gesetzt, damit nur eine einzige Wiederholung zustande kommt (Einfachdelay). Bei der linken Seite stellt man nun den Delay-Mix-Regler auf Dry (trocken) oder 0 Prozent, damit auf der linken Seite keine Verzögerung des Signals stattfindet. Auf der rechten Seite aber stellt man 100 % oder Wet (nass) ein, damit wir auf der rechten Seite nur das verzögerte Signal (ohne das Original) hören. Jetzt auf der rechten Seite die Delay-Zeit auf einen Wert zwischen 2 und 35 ms (bei mir meist zwischen 10 und 20 ms) einstellen, und schon „springt“ der Mono-Sound aus der Mitte auf die Seiten und wird schön breit. Aus Mono wird Stereo!
Geht trotzdem ganz gut in Mono
Da nun das rechte Signal zum linken leicht versetzt erklingt, können in Mono abgespielt einzelne Phasenauslöschungen passieren. Dies sind Kammfiltereffekte, die zur Folge haben, dass sich der Klang in Mono verändert, dünner oder fetter wird, oder auch lauter oder leiser erscheint. Um dem ein wenig entgegenzuwirken, sollte man nun den neuen Stereo-Kanal erneut Mono abhören und die Delayzeit schrittweise um 2 ms verändern. Bei mir reicht es meistens zwischen 10 und 24 ms zu suchen. Dabei hört man sehr gut, wie der Sound sich in Mono verhält. Findet man so eine Einstellung, die den Sound möglichst gleich klingen lässt – egal ob mono oder stereo – , hat man den perfekten Wert gefunden. Nun sollte sich der Sound in Mono wie in Stereo gut in den Mix einfügen und hörbar sein.