Hall an sich ist etwas Feines. Mann kann die eigentlich trockene Stimm-Aufnahme mit einer gewissen Räumlichkeit oder sogar einer großen Halle umgeben. Genau wie Kompression ist Hall ein Effekt, das süchtig machen kann. Ein Kompressor macht das wahrgenommene Signal gleichmäßig lauter und lauter ist für unser Ohr immer besser! Ein Hall hingegen (oder neudeutsch Reverb) fügt unserem trockenen Signal eine räumliche Information hinzu und lässt das Ganze dadurch deutlich natürlicher klingen – zumindest natürlicher als eine furztrockene Studio-Aufnahme.
Reverb, Hall, Raum, …. was ist der Unterschied?
Die Rede ist hier allerdings explizit von Hall, nicht von Raum (Room oder Chamber/Kammer). Ich unterscheide hier, da ich meinem Signal (wie zum Beispiel den Vocals) mit einem Raum (oder auch einem sehr kurzen Slapback-Delay) eine gewisse Grund-Räumlichkeit verpassen kann. Ich kann also dem Ohr grob mitteilen, wo ungefähr die Mauern des virtuellen Raums sind, in dem die Musik oder der Gesang stattfindet.
Mit dem Hall jedoch kann ich dem Signal eine ganz andere Weite geben, da der Nachhall deutlich diffuser und länger ist als bei einem normalen Raum-Eindruck. Damit kann ich Signale länger (z.B. eine Snare) oder größer (Vocals) erscheinen lassen als sie eigentlich sind. Sind in Deinem Mix also viele Instrumente trocken aufgenommen, kann der Hall die einzelnen Instrumente in einen gemeinsamen akustischen Kontext stellen und damit zu einer Verbindung zwischen diesen führen – der Mix wirkt homogener und organischer. Im Idealfall bekommt man sogar den Eindruck, dass alle Musiker tatsächlich im selben Raum zusammengespielt haben.
Hall oder lieber Delay?
Speziell in Mixen, die eine größere Anzahl an Instrumenten beherbergen, sorgt allerdings zu viel und/oder zu langer Hall für zu viel Matsch und damit einen undefinierten Mix.Hier kann man anstelle eines sehr dichten und diffusen Halls durchaus  ein Delay als Alternative zum Hall in Betracht ziehen – vor allem bei Songs mit einer echten „Wall of Sound“. Es gibt zwar Leute, die rigoros zwischen Delay und Hall unterscheiden, ich bin da aber ein wenig pragmatischer, denn zuerst einmal ist ein Delay ja eine Reflexion des Ursprungs-Signals mit einer oder mehreren Wiederholungen. Und ein Hall ist auch die Reflexion des Signals, allerdings mit unendlich vielen ungerichteten und sich selbst reflektierenden Wiederholungen und damit deutlich diffuser und verwaschener, aber eben auch dichter als ein Delay. Ich nutze also nicht dogmatisch nur das ein oder das andere, sondern passe die Nutzung einfach dem Song und seinem Soundcharakter an.
Beginnt man gerade sich in die Materie Hall einzuarbeiten, oder hat man bisher immer im Nebel gestochert – mal mit Erfolg, mal ohne – dann können diese 5 Schritte bestimmt helfen, Struktur in den Umgang mit Hall zu bringen und damit auch reproduzierbar und in jedem neuen Mix gute Ergebnisse zu erhalten. Es handelt sich dabei um diese fünf:
1. Hall auf einem Bus verwenden
In der Regel benutze ich den Hall nicht auf dem Kanalzug, sondern lege in auf einen Bus, damit ich ihn nicht nur bei einem Instrument / Vocal nutzen kann, sondern auch bei mehreren. Das hat nicht nur den Vorteil, dass ich CPU-Power spare, sondern auch, dass ich einen deutlich einheitlicheren Raum- oder Hall-Eindruck bekomme, wenn ich mehrere Signale in der gleichen räumlichen Umgebung stattfinden lasse. Außerdem habe ich dann einen eigenen Fader, mit dem ich den Hallanteil noch mal separat regeln kann, ohne das im PlugIn oder übe die einzelnen Sends machen zu müssen.
2. Richtige Hall-Länge
Gerade die richtige Länge einer Hallfahne kann dafür sorgen, dass sich das Signal schön in den Mix einpasst. Ist sie allerdings zu kurz, wirkt das ganze nicht organisch; ist sie zu lang, kann die Hallfahne und ihr zu langer Ausklang den gesamten Mix verwaschen und zumatschen. Die richtige Hall-Länge bestimme ich in der Regel nach Gefühl und Gehör, und zwar nach der Maßgabe, dass ich zum Beispiel bei einer Snare darauf achte, dass die Hallfahne bis zum nächsten wichtigen Schlag – also z.B. die nächste Viertel – weitgehend abgeklungen ist. Gleichzeitig sollte die Hallfahne aber eine gute Anbindung an den nächsten Schlag bieten und nicht deutlich davor abklingen. Das Gleiche gilt bei Vocals, wobei ich da als Maßstab das letzte Wort einer Zeile nehme und der Hall dann bis zum Anfang der nächsten Zeile verklungen sein sollte.
3. Pre-Delay erklärt
Mit dem Pre-Delay kann ich  das Ursprungs-Signal noch ein wenig vom Hall trennen. Rein akustisch simuliert ein Pre-Delay die Zeit, die das reflektierte Signal von der Quelle zur reflektierenden Wand und zurück zum Zuhörer braucht. Ist das Pre-Delay also lang, rückt der Sänger etwas näher in Richtung Zuhörer. Der reflektierende Raum rutscht damit etwas weiter nach hinten, da das trockene Direktsignal deutlich vor dem Hall beim Zuhörer ankommt (z.B. bei 30 – 50 ms Pre-Delay). Der Sänger rückt damit für unser Gehör näher an den Zuhörer heran.
Umgekehrt simuliert ein sehr kurzes Pre-Delay, dass der Sänger tiefer im Raum zu stehen scheint, da die Hall-Reflektionen nahezu zeitgleich mit dem Direktsignal beim Zuhörer eintreffen.
Interessiert Dich dieser „ganze theoretische Quatsch“ nicht, musst Du nur wissen, dass ein höheres Pre-Delay das Signal näher an den Zuhörer rückt (z.B. den Hauptsänger) und ein kürzeres Pre-Delay das Signal etwas weiter in den Raum und damit vom Zuhörer weg schiebt (z.B. ein Chorgesang, der hinter dem Sänger stehen soll). Zwar sind auch die Lautstärke und die Höhen-Präsenz des Ausgangssignals für das Ohr Indikatoren, die ihm sagen, wie nah oder weit ein Sänger wegsteht, aber um eine einfache Trennung zwischen Hall und Hauptsignal zu erreichen, ist ein größeres Pre-Delay immer eine gute Wahl und sorgt dafür, dass unter anderem Konsonanten oder percussive Sound zunächst einmal alleine wirken können, bevor dann der Hall die Rauminfo dazugibt.
4. EQ nach dem Hall
Nach dem Hall im Bus nutze ich nahezu immer einen Equalizer, und zwar mit einem LowCut (bis 200 hz), einem HighCut (ab 3 – 5 khz) und je nach Charakter des Halls auch mal einem Mitten-Cut. Damit wird der Hall schön unauffällig und nicht übermäßig präsent wahrgenommen. So behält das Signal zwar die hinzugefügte Weite (nicht Breite), lenkt aber den Zuhörer nicht mit zu viel offensichtlichem Hall ab. Außerdem können die mit dem LowCut abgeschnitten tieferen Frequenzanteile nicht Bass und Bassdrum zumüllen und ermöglichen so einen druckvolleren und transparenteren Mix.
5. Richtige Lautstärke des Halls
Die richtige Lautstärke ist neben der Hall-Länge sicher einer der wichtigsten Punkte, denn ist der Hall zu laut, wird er zu aller erst mal sehr offensichtlich und überdeutlich wahrgenommen. Dies kann gewollt sein, muss aber nicht. Auf der anderen Seite kann ein zu leiser Hall-Anteil nicht zum gewünschten Ergebnis von mehr Räumlichkeit führen – die ganze Arbeit in diesem Bereich wäre also nutzlos gewesen.
Ich stelle den Hall meistens so ein, dass ich ihn so gerade noch hören kann, er mir aber nicht aktiv „ins Ohr sticht“. Dann nehme ich noch mal 1 oder 2 db raus, um auch wirklich nicht zu viel zu haben. Wenn ich nun den Hall stumm schalte und ich vermisse ihn nicht, ist er mir zu leise geraten. Wenn aber plötzlich etwas zu fehlen scheint, was vorher nicht offensichtlich da war, dann habe ich den genau richtigen Punkt getroffen: Der Hall unauffällig, wenn ich ihn aber wegnehme, fehlt etwas. Bingo.
Ãœbung macht den Meister
Ich gebe zu, dass man den Umgang mit Hall wirklich üben muss. Und ich gebe auch zu, dass ich hier sehr viele Einzelparameter wie z.B. verschiedenen Hall-Typen (Platte, Federhall, algorithmischer Hall, Faltungshll, usw.), early Reflections (frühe Reflexionen), etc. noch gar nicht angesprochen haben. Mein Anspruch ist aber zunächst einmal einen sicheren Grundumgang mit Hall im Mix und im Arbeitsablauf zu schaffen. Beherrscht man diesen, kann man sich den weiteren Feinheiten zuwenden, die ich sicherlich noch mal in einem separaten Beitrag besprechen werde. Bis dahin aber erst mal viel Spaß beim Ausprobieren und natürlich beim dazugehörigen Video!