Kann man genug gute Tipps bekommen um eine Weltklasse-Gesangs- oder Rap-Aufnahme im eigenen Studio aufs virtuelle Band zu bannen? Nein, und trotzdem klingt „20 Tipps“ erst mal nach einem totalen Informations-Übermaß. Damit das nicht passiert bekommst Du in diesem Artikel erst mal 10 Tipps und nächste Woche im zweiten Teil weitere 20 Tipps. Es könnten zwar sicher noch weitere 20 dazukommen, aber die kannst Du ja vielleicht als Kommentar unter diesem Beitrag ergänzen. Fühl Dich also herzlich zum Mitmachen eingeladen!
Grund-Voraussetzungen
Um Gesang oder Rap (aber auch Sprache) aufzunehmen, brauchen wir natürlich ein Mikrofon-Stativ, sowie ein Mikro, das entsprechen per Kabel mit dem PreAmp oder Audio-Interface verbunden ist, oder bei USB-Mikros entsprechend per USB-Kabel mit dem Rechner und damit mit der DAW verbunden ist. Dies grundsätzlichen technischen Voraussetzungen sollten Dich nicht vor größere Probleme stellen. Wenn dem doch so ist, schreib mir gerne eine kurze Mail und ich behandele das Thema noch mal ausführlich und separat für absolute Beginner.
1. Richtige Tonlage im Song / Playback
Um Gesang oder Rap aufzunehmen sollte man natürlich vorher eine Musik, also eine Backing-Track oder auch Playback erstellt oder vorliegen haben. erstellst Du die Musik wie ich selbst, kommt man im kreativen Prozess schnell in einen kleine Rausch, der einen vergessen lässt, das am Ende ja noch ein(e) SängerIn oder ein Rapper dazu kommt. Daher ist es wichtig schon vor dem Ausproduzieren des Songs sicherzustellen, dass man die richtige Tonlage für den Song wählt. Nichts wäre blöder (und unangenehmer), als erst nach der Fertigstellung des Playbacks festzustellen, dass man selbst oder Sängerin/Sänger der Band den Song nicht singen kann, weil er einfach zu hoch oder zu tief ist.
Daher empfiehlt es sich schon ganz zu Beginn der Schaffensphase mit einem rudimentären Grundgerüst zu prüfen, ob der Song in der richtigen Lage für den geplanten Interpreten ist. Und auch wenn Du denkst, dass das für einen Rapper nicht ganz so wichtig ist, kann auch hier die Sprachmelodie durchaus von der passenden Tonhöhe profitieren.
2. Raus aus den Ecken im Studio
Da die meisten Heimstudios keine separate Vocal-Booth (Gesangs-Kabine) haben, richten sich die Studio-Besitzer oft eine Gesangs-Ecke ein, in der ein paar Diffuseren / Absorber an der Wand angebracht sind, die für einen trockeneren Sound der Aufnahme sorgen sollen. Was prinzipiell eine gute Idee ist, kann allerdings auch zu Problemen bei der Aufnahmequalität führen. Denn speziell in den Ecken jedes quadratischen oder rechteckigen Raumes „sammeln“ sich die tiefen Frequenzen, überlagern sich und landen im schlimmsten Fall im Mikro. Hast Du also eine Überbetonung der unteren Muten zwischen 150 und 250 hz in Deinen Aufnahmen, obwohl Du nicht mit dem Nahbesprechungseffekt aufgenommen hast, dann kann das an einer Aufnahme in einer Raum-Ecke liegen. In diesem Fall zieh das Mikro einfach mal einen Meter nach unten und mach eine weitere Aufnahme, in der dieses Problem dann schon behoben sein sollte.
3. Flexible Mikroposition durch lange Kabel
Insgesamt ist es eine gute Idee, die beste Aufnahmeposition im Studio zu ermitteln, indem man an verschiedensten Stellen im Raum Testaufnahmen macht, sich anhört und beurteilt, wo es m besten, am räumlichen, am trockensten und so weiter klingt. Um hier nicht eingeschränkt zu sein, empfiehlt es sich immer zur Verlängerung der Kabel Erweiterungen für XLR-Kabel und Kopfhörer-Kabel zur Hand zu haben. Mit diesen sollten zu kurze Kabelwege kein Problem mehr sein und mann kann im Idealfall sogar mal im Nebenraum ausprobiere, wie die Aufnahme dort klingt!
4. Popfilter für bessere Aufnahmen
Popp- oder Plosivlaute können die beste Gesangs-Aufnahme ruinieren. Sie entstehen meist durch den spontanen Luftausstoß in Richtung Mikrofon durch Laute mit „P“ oder sonstige Stopplaute. In der Aufnahme bemerkt man diese Plosivlaute meist durch ein tieffrequentes „POPP“, das man auch nicht ma so eben reparieren kann. Um dem vorzubeugen empfiehlt es sich einen Popschutz (auch Popfilter genannt) zwischen Mikro und SängerIn zu nutzen. Neben der reinen Funktion Plosivlaute zu zerstreuen, kann man mit ihm auch dafür sorgen, dass ein unter Umständen undisziplinierter Sänger etwas gewissenhafter den passenden Abstand zum Mikrofon einhält.
5. Richtigen Abstand halten – nicht nur in Corona-Zeiten
Wo wir gerade von Abstand sprechen gibt es durchaus auch zwei Dinge zu erwähnen. Zum einen die Frage, was denn wohl der „richtige“ Abstand ist. Die Antwort lautet: Kommt drauf an. Nimmst Du eine schmissige, ruhige und warm klingende Ballade auf, ist ein relativ kleiner Abstand zum Mikro hilfreich, da man den Nahbesörechungseffekt des Mikros nutzen kann. „Normale“ Aufnahmen dürfen gerne 20 cm vom Mikro entfernt stattfinden und wenn Du Background-Gesang aufnimmst, ist es für den Mix auch hilfreich, noch etwas mehr Abstand zu halten. So bekommt man schon fast eine natürliche Tiefenstaffelung hin ohne auch nur ein PlugIn bemühen zu müssen.
Wichtiger ist in meinen Augen (und Ohren) aber vor allem, dass der gewählte Abstand konstant eingehalten wird. Denn wenn man (wie aus Musikvideos gelernt) dynamisch mit dem Mikro umgeht – also für laute Sachen etwas weiter weg, für leisere näher ran ans Mikro – bekommt man eine klanglich so unausgewogene Aufnahme, dass man diese im Mix nur ganz schwierig bis gar nicht sauber unterbringen kann. entweder die Stimme ist zu warm, zu dünn, zu räumlich, zu direkt, … Am besten halten Sängerin / Sänger den gleichen Abstand und überlassen die Dynamik komplett Dir bei Abmischen des Songs!
6. In ungedämmten Räumen nicht zu laut singen
Solltest Du es mit einer lauten Stimme in einem akustisch verhältnismäßig unbehandelten Raum zu tun bekommen, macht es Sinn, den / die Sänger / Sängerin zu bitten nicht vol Lotte zu singen, Ober aber zu probieren, ob man hinter das Mikro dämmendes Material bekommt, z.B. eine alte Matratze. Oder probier mal, das Mikro vor bzw. in einem Kleiderschrank zu platzieren. Hintergrund dieser Maßnahmen ist es, die Schallwellen, die vom Sänger ausgehen, und die den Raum stark anregen, möglichst zu dämpfen. Denn wenn diese Schallwellen sich im ungedämpften Raun aussehen, kommen sie auch wieder im Mikro an und können unangenehme Kammfiltereffekte und zu viel Raumreflexionen im Signal verursachen – beides eher unerwünscht.
7. Kopfhörer
Natürlich trägt der Sänger oder die Sängerin während der Aufnahme einen Kopfhörer, um die Musik und natürlich auch die Stimme bestmöglich zu hören, Zudem landet das Playback damit während der Aufnahme nicht noch zusätzlich über die großen Lautsprecher im Mikro. Voraussetzung ist natürlich, dass es sich bei dem Kopfhörer um ein geschlossenes Modell handelt und dieses nicht so laut aufgedreht wird oder werden muss, dass der Schall doch wieder laut im Hintergrund mitspielt und die Aufnahme infiltriert. Im Idealfall ist der geschlossene Kopfhörer also nicht zu laut aufgedreht.
8. Besser aufnehmen lassen, als alles selber machen
Das ist ein absoluter Luxus-Punkt für den Fall, dass Du der Sänger Deiner Musik bist: Um die bestmögliche Gesangsperformance abzuliefern, ist es extrem hilfreich sich während der Aufnahme nur um den Gesang zu kümmern, nicht aber gleichzeitig auch noch um die Aufnahmetechnik, die DAW, etc. . Wenn möglich frage also einen Freund, ob er Dir beim Aufnehmen helfen kann und die DAW bedient (sofern er das kann), damit Du Dich voll und ganz auf den Gesang oder Rap konzentrieren kannst.
9. Trinken für saubere Aufnahmen vorm Mikro
Unser Mund dient natürlich der Klang- und Wortformung, macht dabei aber durchaus auch andere Geräusche, die nicht immer gewollt sind. Kleine Schmatzgeräusche, Schnalzlaute, etc. . Um diese „Nebengeräusche“ möglichst im Zaum zu halten empfiehlt es sich schon vor der Aufnahme genug getrunken zu haben. Gönn Dir oder deinem Sänger / Deiner Sängerin also genügend warmes, stilles Wasser. Das hat den Vorteil, dass der Mundraum geschmeidig bleibt, wenig Schmatzgeräusche entstehen und die Stimmbänder locker bleiben. Zudem ist die Konzentration über einen längeren Zeitraum besser, wenn man genug trinkt. Also: Viel Trinken ist Pflicht!
10. Inhalt vor Technik – Performance vor Audioqualität
Auch wenn Du das weltbeste Mikro der Welt aufgebaut hast, nützt das nichts, wenn der Sänger oder die Sängerin sich nicht damit wohlfühlen und davor nur mit angezogener Handbremse singen. Im Zweifel heißt das also, lieber auf die audiophile, teure Technik verzichten, dafür aber z.B. mit einem geeigneten Handmikro aufzunehmen, wenn die Performance Amit deutlich besser wird. Hier gilt „Qualität des Inhaltes vor Soundqualität“. Nimm also lieber eine etwas schlechtere Soundqualität in Kauf, wenn dafür aber eine bessere, emotionalere und damit überzeugendere Aufnahme möglich wird. Ich weiß, wir sind alle irgendwo kleine Gear-Nerds. Aber ist der Song in den Charts sagen die Zuhörer nie, das die Stimme mit einem echt gute Mikro aufgenommen wurde, sie sagen immer nur, das die Stimme sie emotional berührt, mitreißt oder sonst irgendwie anspricht.